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Wachgerüttelt

Veröffentlicht am 12.03.2024

Gastbeitrag von Marius Entmooser / Twitter: @Ente_95

 

 

Es gehört ja fast schon zum guten Ton beim VfB, dass es dann intern so richtig kracht, wenn es auf dem Platz läuft. Deshalb dürfte uns die aktuelle Situation, die minütlichen neuen Meldungen und die vielen Spekulationen kaum verwundern. Was wir aktuell dennoch erleben, ist eine neue Dimension des Chaos. Es geht um den künftigen Einfluss der Mitglieder auf ihren Verein – der Versuch einer Bestandsaufnahme.

 

Das Weltmarkenbündnis zeigt Zähne

 

Wir alle erinnern uns an die Pressekonferenz, in der das Weltmarkenbündnis offiziell vorgestellt wurde. Schon damals wurde deutlich, dass Lutz Meschke keinen zurückhaltenden Investor präsentieren würde. Dennoch wurden die Aussagen – auch von mir – überwiegend positiv aufgenommen. Man hatte richtig Lust auf dieses Bündnis. Schon damals hätte uns vielleicht etwas deutlicher werden müssen, dass dieses Weltmarkenbündnis ein Selbstverständnis vertritt, dass weit über die tatsächlichen Anteile an der AG herausragt. Mit dem Theater der letzten Wochen wurde klar, wie vehement der Investor seine Interessen vertritt – in diesem Fall gegen den e.V.

 

Versprochen ist Versprochen

 

Nicht wenige werden sich nun daran erinnern, wer uns damals versprochen hat, dass der Präsident des e.V. auch immer den Vorsitz im Aufsichtsrat innehaben wird. Die Zynischen unter uns werden es bereits geahnt haben. Spätestens seit dem 12.03.2024 hat sich dieses Versprechen in Luft aufgelöst. Dabei scheint der Aufsichtsrat zu unterschätzen, wie essentiell dieses Versprechen für viele Mitglieder war und ist. Es ist vielmehr die letzte Möglichkeit, bei der der e.V. als Hauptanteileigner der AG seiner prozentualen Stellung noch gerecht werden kann. Das gibt den Mitgliedern ein bisschen das Gefühl, in dieser AG noch mitbestimmen zu dürfen. Und nein – es gab nie die Traumtänzer die dachten, dass man mit dem Aufsichtsratsvorsitz die Zügel der AG vollständig in der Hand hat. Es war dennoch für uns Mitglieder ein wichtiges Symbol. Das ist nun weg. Und es gab nichts, wie wir es in den letzten Wochen hätten verhindern können.

 

Das Präsidium kapiert den Auftrag nicht

 

Besonders erschreckend in der aktuellen Berichterstattung ist der Fakt, dass sich mindestens ein Mitglied des Präsidiums gegen einen Weg entschieden hat, bei dem man die Mitgliederversammlung des VfB über die Entscheidung im Aufsichtsrat abstimmen lässt. Um es deutlich zu sagen: Die Personen des Präsidiums werden von den Mitgliedern gewählt. Diese wählen euch nicht, damit ihr gemeinsame Sache mit dem Investor macht. Diese wählen euch ebenfalls nicht, um persönliche Grabenkämpfe auszutragen. Wir wählen euch, damit ihr die Interessen des e.V. vertretet. Wir wählen euch, damit ihr uns Mitglieder vertretet. Darin hat mindestens ein Mitglied des Präsidiums versagt. Es fehlt zudem keine Fantasie, dass es sogar zwei Mitglieder des Präsidiums waren. Es ist mir unbegreiflich, wie das Präsidium den klaren Auftrag der Mitglieder nicht verstehen kann. Nun kommt es so rüber, als hätte sich der Verein für den Porsche-Deal selbst verkauft. Was für ein fatales Bild. Sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei uns Mitgliedern.

 

Die Sätze der neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Gönner klingen nach Schadensbegrenzung: „Mit den Aufsichtsratsmitgliedern unserer Partner Mercedes-Benz und Porsche bin ich der Meinung, dass in Zukunft die Idealbesetzung des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Präsidiumsmitglied des Vereins sein sollte, das von den Mitgliedern direkt gewählt wurde und über die notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen verfügt.“ Im Kern stimmt dieser Satz. Der Vorsitz sollte auch nach der Auffassung vieler Mitglieder in der Hand einer von der Mitgliederversammlung gewählten Person stammen. Aber mal ehrlich: Wieso wartet der Aufsichtsrat dann nicht bis zur Mitgliederversammlung, wenn die Stimme der Mitglieder so wichtig erscheint? Warum zerstört man zuerst das bestehende Konstrukt um es dann, im Angesichts des Scherbenhaufens, zu loben?

 

Es gibt so einige Ungereimtheiten. Was jedoch völlig klar ist: Es braucht deutliche Aussagen von den involvierten Personen. Sowohl Vogt als auch Riethmüller und Adrion müssen ihre Sicht der Dinge darlegen. Klar und deutlich. Ohne nichtssagende Statements. Wir Mitglieder haben das Recht darauf zu erfahren, warum dieses Versprechen am heutigen Tage gebrochen wurde. Wir verdienen eine klare, transparente Kommunikation – zumindest einmal aus diesem Gremium heraus. Sollte es keine deutlichen Worte geben, wäre auch das Aussage genug.

 

Die nächste Mitgliederversammlung wird ein heißer Tanz

 

So mancher Fan reibt sich bereits jetzt die Hände, wenn er an die kommende Mitgliederversammlung denkt. Ich gehe nicht davon aus, dass es dieses Mal einer teuren Website bedarf, um Menschen für Abwahlanträge gewinnen zu können. Vielmehr wird „House of Cannstatt“ ein neues, spannendes Staffelfinale für uns alle bereithalten.

 

Viele Fragen sind bis dahin noch zu klären. Was aber deutlich werden muss: Die Mitgliederversammlung wählt einen Präsident im Wissen, dass dieser auch den Vorsitz des Aufsichtsrats übernimmt. Die restlichen Mitglieder sollen nicht Rosinen picken, welcher gewählte Vertreter ihnen am Besten in den Kram passt. Das Versprechen muss wieder neu mit Leben gefüllt werden. Dabei ist das Vertrauen in die handelnden Personen, vor allem in diejenigen, die bereits jetzt schon die Mitgliederversammlung übergangen haben, jedoch nicht mehr vorhanden. Es droht eine extrem zerfahrene Situation.

Bei einem kann man sich jedoch sicher sein. Es wird ungemütlich für die Personen werden, welche die Mitglieder des VfB wissentlich oder unwissentlich übergangen und belogen haben. Ein Präsidium, dass sich selber zersetzt ist gefundenes Fressen für jeden Investor. Vielmehr bedarf es einer starken Einheit, die sich geschlossen für die Belange der Mitglieder einsetzt. Im Haifischbecken VfB kann man nicht alleine schwimmen. Das wurde uns in den letzten Jahren mehrere Male deutlich gemacht. Es darf aber großen Zweifel geben, ob das aktuelle Präsidium des VfB in dieser Konstellation den großen Aufgaben gewachsen ist.

 

Mit dem heutigen Tage hat der Aufsichtsrat zumindest eines geschafft: Die Mitglieder des VfB wachgerüttelt. Und das wurde schon in der Vergangenheit für viele Funktionäre unangenehm.